Heilige und Heiligenverehrung

„Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen.” (Kol 3,12) So redet der Apostel Paulus die Mitglieder der Gemeinde von Kolossä an. Paulus spricht die Menschen an, die sich in dieser Stadt in Kleinasien auf neuen den Weg gemacht haben und Jesus nachfolgen wollen. Heilig-Sein bezieht sich für den Völkerapostel also hier und an anderen Stellen des Neuen Testamentes auf die lebenden Mitglieder der Gemeinde, der Gemeinde damals und der Kirche heute. – Wie kann man aber lebende Menschen als Heilig bezeichnen? Wenn wir uns die Menschen in der Kirche von heute anschauen, dann ist nur allzu oft offensichtlich, dass sie gerade nicht das sind, was wir uns als Heilige verstellen; und in vielen Stellen der Paulusbriefe wird auch immer wieder deutlich, dass auch die Gemeinde in neutestamentlicher Zeit nicht immer vollkommen war. – Damit wird aber ganz deutlich, dass Heilig-Sein in erster Linie nicht die moralische Verfasstheit eines Menschen beschreibt. Heilig im vollen Sinn des Wortes ist nur Gott. Wenn Menschen als heilig bezeichnet werden können, dann kann dies nur in dem Sinn gemeint sein, dass sie an dieser Heiligkeit Gottes und seines Christus Anteil haben. Heilig sind also die Menschen in der Kirche, insofern sie in der Gemeinschaft mit Jesus Christus stehen und leben – in Glaube und Taufe. Als innere Konsequenz dieser Christusgemeinschaft folgt dann, sich um ein Leben zu bemühen, dass diese Heiligkeit Christi in der Welt widerspiegelt und sichtbar macht. So ist das moralisch Heilig-Leben also die Folge dieses von Christus her geschenkten Heilig-Seins auf Grund der Lebensgemeinschaft mit ihm.

Diesen Gedanken der Lebensgemeinschaft mit ihm hat Paulus in dem Bild vom Leib und den Gliedern gefasst (1Kor 12,12-31a), das verdeutlicht, dass die Glieder der Kirche nicht nur jeweils mit Christus in lebendiger Beziehung stehen und deshalb heilig genannt werden können, sondern dass diese Christusbeziehung auch eine Gemeinschaft untereinander herstellt. Diese Gemeinschaft wird verwirklicht im Miteinader und Füreinander und ebenso im fürbittenden Gebet.

„Im Zusammenhang mit den frühchristlichen Märtyrern wuchs die Überzeugung, dass der Tod den geistlichen Lebenszusammenhang der Glieder des Leibes Christi nicht zerstört.” Der Tod stell keine Grenze dar, die die Christusgemeinschaft stören oder gar auflösen könnte, vielmehr ist gerade diese Lebensgemeinschaft mit Christus das Band, das die Kirche in allen ihren Gliedern, Lebenden oder Toten, Heiligen oder Sündern, verbindet und zusammenschließt. Diese Verbindung findet ihren Ausdruck, wenn die Kirche der Heiligen gedenkt, die durch ihre Lebensgeschichte Vorbild für andere Menschen sein können. Verehrung der Heiligen bedeutet dann aber in erster Linie „den Dank an Gott für ihre charismatische Sendung, die Nachahmung ihres beispielhaften Lebens und das im Gebet an Gott sich vollziehende Bewusststein der aktuellen personalen Gemeinschaft mit allen einzelnen Gliedern der Heilsgemeinschaft.”

So kann die Verehrung der Heiligen, also Menschen, deren Leben in den Augen Gottes besonders geglückt ist, wiederum die Heiligung der Menschen in der Kirche auf Erden fördern; so sagt Can. 1186 CIC: „Um die Heiligung des Gottesvolkes zu pflegen, empfiehlt die Kirche der besonderen und kindlichen Verehrung der Gläubigen die selige, immerwährende Jungfrau und Gottesmutter Maria, die Christus zur Mutter aller Menschen bestimmt hat, und fördert sie die wahre und echte Verehrung der anderen Heiligen, durch deren Vorbild die Gläubigen auferbaut und durch deren Fürsprache sie gestützt werden.” Damit sich die Gläubigen aber soz. nicht blinden Führern anvertrauen, wird festgesetzt: „Öffentlich verehrt werden dürfen nur die Diener Gottes, die durch die Autorität der Kirche in das Verzeichnis der Heiligen und Seligen aufgenommen worden sind.” (CIC Can. 1187). Dennoch bleibt die Initiative einer Selig-/Heiligsprechung bei den Gläubigen, denn aus der Mitte der Kirche muss der Impuls kommen, einen Menschen „zur Ehre der Altäre” zu erheben – so wie es eben von Anfang an der Brauch war (bis etwa in das 6. Jh.). Eine Diözese oder Ordensgemeinschaft lässt also in einem ersten Schritt beim Heiligen Stuhl prüfen, ob der Bemühung einen verstorbenen Menschen selig-/heiligsprechen zu lassen etwas entgegensteht. Gibt es keine Einwände, wird auf Diözesaner- bzw. Ordensebene der Informativprozess eingeleitet, d.h. Leben und Werk des Menschen werden geprüft, indem auch schriftliche und mündliche Aussagen von Zeitgenossen gesammelt werden. Das Ergebnis des Informativprozesses wird dann beim Heiligen Stuhl, der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungsprozesse eingereicht; hier findet eine erneute Prüfung statt. Damit aber eine Selig-/Heiligsprechung erfolgen kann, bedarf es jeweils einer Gebetserhörung/eines Wunders, falls die Person nicht als Märtyrer gestorben ist. Dieses Wunder wird von externen Fachleuten geprüft. Schließlich wird noch einmal alles Für und Wider einer Kanonisation erwogen und geprüft. Ist diese Prüfung positiv abgeschlossen worden, können dem Hl. Vater alle Informationen übergeben werden; er entscheidet letztlich über das Verfahren. In einer liturgischen Feier, der bei Heiligsprechungen der Papst vorsteht, wird die Kanonisation ausgesprochen und verkündet.

Nun darf der Heilige in der ganzen Welt öffentlich verehrt werden. Eine Hilfe dabei sind äußere Zeichen, zum einen des Heiligen selbst, die dieser hinterlassen hat, also Reliquien, aber auch Statuen und Bilder, die den Heiligen zeigen und uns an das erinnern sollen, was sein Leben bestimmt und geprägt hat. So hält auch das kirchliche Gesetzbuch fest: „Der Brauch, in Kirchen heilige Bilder für die Verehrung durch die Gläubigen anzubringen, ist beizubehalten”. (CIC Can. 1188) Verba docent – exempla trahunt; Worte belehren, Beispiele ziehen! – Offenbar ist es für uns Menschen leichter, seinen eigenen Lebensweg in den Augen Gottes recht zu gestalten, wenn wir sehen können, dass dieser Lebensweg bei anderen schon geglückt ist und seine Vollendung gefunden hat. Bilder der Herrn, der Gottesmutter und der Heiligen wollen uns dabei eine Erinnerungshilfe sein und uns helfen, dieses Ziel – nämlich Gott selbst – nicht aus den Augen zu verlieren.